Liebe Lösungsfokussierte,
„Ich habe Angst.“
Worum geht es hier ?
Wenn wir nachfragen, was Klienten genau merken, was sie empfinden, (bitte beschreiben Sie, ohne Begriffe wie „Angst“, „Panik“ oder ähnliches zu gebrauchen), werden sie unangenehme Empfindungen und Gedanken beschreiben. Im Zusammenhang mit mehr oder weniger klaren Vorstellungen von Ereignissen, die auf sie zukommen könnten, die auf die eine oder andere Art schwer oder unmöglich zu bewältigen sind. Ereignissen, denen sie sich nicht gewachsen fühlen. Dieser Mechanismus lässt sich gut mit einem Frühwarnsystem oder einer Art von Alarmanlage vergleichen. Sinn und Zweck eines Alarms ist es, uns auf Unsicherheiten, Risiken und Gefahren hinzuweisen, damit wir die in dem Zusammenhang erforderlichen Schritte durchführen. Diese können auch vorbeugender oder einfach klärender Natur sein. Der Alarm ist umso anhaltender und hartnäckiger, je unklarer, vielfältiger oder folgenschwerer die möglichen Gefahrenpotentiale sind. Abgeschaltet wird der Alarm erst, nachdem wir für ausreichende Sicherheit gesorgt haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir uns getraut haben nachzusehen und dann feststellen, dass der Alarm von einer Maus ausgelöst wurde oder ob wir die Schritte der Helfer auf der Treppe hören.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bezieht sich der Alarm auf die Zukunft. In der Natur der Zukunft liegt es, dass wir sie nicht zu 100 % sicher wissen können. Wie sehr wir uns auch bemühen (und das tun wir!), es bleibt immer ein Rest Unsicherheit. Wir können uns noch so gut gegen alle möglichen Risiken abzusichern versuchen – es bleibt ein Rest. Vor dem Hintergrund dieser Rest‐Unsicherheit kann die Empfindlichkeit unserer Alarmsysteme zu stark oder zu schwach eingestellt sein. Dies kann vorübergehend sein oder eine Eigenheit einer Person, einer Gruppe, einer Situation oder einer Epoche. Die Tatsache, dass wir die als "Angst" bezeichneten unangenehmen Empfindungen loswerden möchten, bedeutet nicht automatisch, dass wir unser Alarmsystem loswerden möchten. Begreifen wir besser, was die unangenehmen Empfindungen für uns tun – oder anders ausgedrückt, zu was sie uns anhalten möchten, können wir uns vielleicht freier entscheiden, ob wir ihrem Aufruf folgen und uns anders verhalten oder besser und konkreter vorbereiten wollen, oder ob wir nach nüchterner Abschätzung der Lage andere Prioritäten setzen wollen. Für unsere Klienten kommt es darauf an, tragfähige Lösungen für künftige Herausforderungen zu entwickeln. Manchmal geht es auch ganz allgemein darum, mehr Selbstvertrauen und einen besseren Umgang mit jeder Art von Unsicherheit zu finden. Für uns kommt es dabei darauf an, mit dem in Kontakt zu bleiben, was unsere Klienten möchten und was sie glauben zu können und nicht zu können. Sobald sie klarer werden und beginnen, einen ausreichend sicheren und stabilen Weg in ihre Zukunft zu sehen, können wir spüren, wie die unangenehmen Gefühle nachlassen und dürfen miterleben, wie sich Kräfte neu entfalten. In gewisser Weise hilft uns unser Alarmsystem dabei, rechtzeitig für gute Zukunft zu sorgen.
Ich wünsche uns allen in diesem Sinne möglichst gute "Ängste",
Christoph