Einsamkeit

Frage

Lieber Christoph,

Gerne würde ich von dir zum Thema "Einsamkeit/ es ist nicht genug/ ich bin nicht genug" etwas hören.

Konkret geht es um eine Frau die nach der Geburt ihres Sohnes noch einsamer ist als zuvor. Sie möchte "bessere" (interessierten Austausch) Kontakte.
Oder auch der Mann, der sich zwischen zwei Frauen nicht entscheiden "kann". Alles ist in seiner Ehe ist perfekt, aber die Bindung/Austausch mit seiner Frau ist nicht genug intensiv.


Ich bin gespannt,
herzliche Grüße


Antwort

Liebe Fragestellerin,
Danke für Deine Frage. Vielleicht kannst Du sie noch etwas zuspitzen, was genau würdest Du sagen, wäre denn zum Beispiel Deine Frage oder Fragen?
Vielleicht kannst Du das noch etwas ausmalen. Ich will inzwischen gern schon mal probieren, ob ich das so allgemein bearbeiten kann. Wir werden sehen:

Die Frau fühlt sich nach der Geburt ihres Sohnes noch einsamer als zuvor. Das heißt, sie fühlt das unangenehme was sie fühlt, noch intensiver als zuvor. Wenn sie es einsam nennt, hat es offenbar irgendetwas zu tun mit dem Kontakt mit anderen Menschen. Sie möchte besseren Kontakt, z.b. interessierten Austausch.
Natürlich fragst du sie erstmal danach, wie das denn genau wäre, wenn Sie besseren Kontakt hätte. Und natürlich, ob und woher sie das schon kennt.
Dabei wird dann deutlicher werden, was es ist, dass sie möchte und ob sie das als in ihrer Reichweite befindlich empfindet. So oder so ist es dann sinnvoll,

die Wunderfrage anzubieten.

Ich denke außerdem, das ist wie immer darauf ankommt, nicht zu vergessen, dass du nicht weißt, was mit einsam fühlen genau gemeint ist.

Um ganz normal mit der Wunderfrage zu arbeiten ist das nicht so wichtig.
Vielleicht ist es trotzdem interessant, einmal genauer zu betrachten, was strukturell vor liegt.

Einsam fühlen benennt einen Prozess, benennt eine Abfolge, vielleicht einen Kreislauf. Wenn wir selber mit so etwas zu tun haben, und kann es sinnvoll sein, diesen Ablauf einmal genau zu beobachten. Ich sitze auf meinem Stuhl oder komme in den Raum, vielleicht schaue ich zur Uhr, vielleicht denke ich an die kommende Woche, was auch immer. Irgendetwas bildet einen Startpunkt für unseren Prozess. So etwas eine Triggerfunktion. Das können durchaus mehrere und ganz verschiedene Startpunkte sein.
Streift unser Bewusstsein einen der Startpunkte, dann fängt der Prozess an. Oder führt dem (schlummernden) Prozess neue Energie zu.
Welche einzelnen Elemente können wir vermuten? Auf jeden Fall die Frage nach der Zukunft. Der näheren Zukunft oder der ferneren oftmals vermutlich zunächst in einer eher diffusen Weise. Unser Zukunftsradar fragt, wird es gut sein, in welcher Lage werde ich vielleicht sein, und werde ich das mögen? Solange diese Frage einigermaßen zufriedenstellend beantwortet wird, tritt kein unangenehmes Gefühl auf.
Neben der Frage nach der Zukunft gehören natürlich auch Vermutungen über mögliche konkrete Zukünfte zu den Zutaten. Es spielt dabei keine Rolle ob diese Vorstellungen bildlich oder anders erstellt werden.
Noch eine Zutat, die auch mit der Zeit zu tun hat, ist eine Vorstellung von der Dauer. Der Dauer von was auch immer.
Wir können einmal überprüfen, ob das soweit stimmt.
Stellen wir uns doch einfach mal eine unangenehme Situation in der Zukunft vor. Dem Beispiel entsprechend soll sie mal damit zu tun haben, was immer wir unter einsam verstehen.
Dabei kann es sich um eine Situation handeln, in der wir tatsächlich ganz real von anderen Menschen abgetrennt sind, ein fremdes Land, eine fremde Sprache, z.b. Oder um eine mehr innere Situation, mitten unter guten Freunden auf einer Party, und trotzdem kein Kontakt.
Und jetzt stellen wir uns einmal vor dass diese Situation sehr kurz ist sagen wir 3 bis 5 Minuten, und danach ganz sicher beendet.
Hierbei wird sich das unangenehme Gefühl den Grenzen halten. Stellen wir uns aber vor, das die besagte Situation unabsehbar andauern wird, ja sich möglicherweise noch verschlimmern wird, dann sieht die Sache schon anders aus.
Wir können hieran sehen, was die Vorstellung einer unangenehmen Situation in der nahen oder ferneren Zukunft plus die Annahme einer mehr oder weniger langen Dauer für Folgen haben kann.
Und ein derartiger Prozess wird ausgelöst durch die oben genannten Startpunkte und kann sich nach und nach immer mehr verstärken.
Manchen Menschen, oder auch uns selbst, können wir mitunter helfen indem wir die Einzelheiten des Ablaufs genau beleuchten. Das was wir bisher Ablauf nennen ist ja ein Gedankengang im genauen Wortsinn. Wir gehen in Gedanken von hier nach dort nach dort. (Eigentlich wiederum durch Gedankengebäude, unsere Vorstellungen eben)
Sehr ‘nützlich’ zum Verstärken des unangenehmen Gefühls ist die Vorstellung der eigenen Ohnmacht. Auch diese ist in der Regel eine Zutat von stark unangenehmen Gefühls-Prozessen.
Die durch die Startpunkte ausgelösten Gedankengänge führen uns in der Regel zu immer gleichen Gedankenformen oder Vorstellungen. Dies sind in der Regel Vorstellungen, die geeignet sind, aus der Vergangenheit bekannte Gedankenformen zu aktivieren. Sie knüpfen damit an intensive Erinnerungen an, in denen wir vergangene Erlebnisse gespeichert haben.
Normalerweise laufen diese Abläufe mit hoher Geschwindigkeit und teilweise unterhalb unserer Bewusstseinsschwelle ab. Durch die genaue Betrachtung verlangsamt sich der Prozess und es treten mehr Einzelheiten zutage.
Wichtig ist hierbei, das wir uns bewusst bleiben, dass auch ursprünglich automatische Abläufe, im Grundsatz unsere eigenen Aktivitäten sind, und dass wir darauf einen gewissen Einfluss gewinnen können. Sehr leicht nistet sich die Idee der eigenen Ohnmacht auch und gerade den eigenen Prozessen gegenüber ein.
Gehen wir langsam genug vor, werden wir feststellen, dass wir an vielen Stellen eine Wahl haben, von denen wir das bisher nicht vermutet hatten.
Die grundsätzliche Erkenntnis von Lösungsfokus ist diese, wir können springen in Lösungswelten, auch wenn wir es eigentlich nicht für möglich halten. Das ist die Essenz der Wunderfrage und unserer ganzen Arbeit mit dem Lösungsfokus.

Für die therapeutische Arbeit bedeutet das Gesagte, dass es sich lohnen kann mit den Klienten in aller Ruhe die Gedankengänge und Vorstellungen zu betrachten, mit Hilfe derer die unangenehmen Gefühle hervorgerufen und erhalten werden können. Die Lösungsmöglichkeiten, die dabei in den Blick kommen, sind ohne die Verlangsamung und den ruhigen Fokus kaum zu finden.
Wie Steve schon sagte, langsamer geht schneller.

Viele Glück und alles Gute!
Christoph

Antwort

Lieber Christoph,

Ich beschreibe mal ein wenig mehr zu meiner Frage.
Beide Klienten haben ein schlechtes Gewissen. Der Mann, weil er seine Frau betrügt und selbst dabei zufrieden ist, denn nur mit ihr ohne seine Affäre wäre er einsam, nicht genug im Austausch.
Die andere Klientin hat ein schlechtes Gewissen, weil ihr Mann ihr alles abnimmt, so dass sie sich nicht selbständig genug fühlt. Beide können das ihren Partnern nicht transportieren. Sie denken, da muss es doch noch mehr geben, mehr vom Leben.
Die Klientin, sagt sie möchte plaudern und das gelingt ihr mit mir gut, sie fühlt sich gehört und verstanden und möchte sich noch besser verstehen. Auch der Mann möchte sich besser verstehen, denn er sollte doch mit seiner hübschen Frau, dem Haus und den Kindern zufrieden sein. Haus und Kinder liebt er, seine Frau ist nicht aufregend genug.

Was ist meine Frage? Ich glaube, ich habe den beiden noch nicht die passende Frage gestellt. Oder vielleicht nicht geduldig .. genug. Wie merke ich dass am besten? Es bleibt irgendwie schwammig und ich versuche es konkreter zu bekommen, hm. Also beide waren bereits 3 mal bei mir und kommen auch wieder, es scheint Ihnen also etwas zu bringen, bei jeder Folgestunde ist aber nicht wirklich etwas besser oder klarer, aber auch nicht schlechter. Die Arbeit und der Alltag lenken dann genug ab, es ist wieder eine Menge passiert, aber diese "Einsamkeit" oder sich selbst und von anderen nicht verstanden fühlen bleibt.

Herzlichen Gruß

Antwort

Danke nochmals für deine Frage!

Für mich klingt es ein wenig so, als ob noch nicht alle Anliegen wirklich gleichwertig auf dem Tisch liegen. Ich stelle mir vor, dass im Kontext eine Art Konsens darüber herrscht, was eigentlich das Richtige wäre. So etwas gibt es natürlich nicht.
Wie eigentlich fast immer scheint es ja bei beiden Paaren darum zu gehen, dass die Wünsche nicht übereinstimmen. Offenbar gibt es den gemeinsamen Wunsch, sich irgendwie zu verständigen.
Was den Mann angeht, es ist nicht leicht, auf eine schöne körperliche Beziehung zu verzichten. Das würde schon einen überzeugenden gemeinsamen Aufbruch erfordern. Wenn das so ist, vielleicht wäre es dann gut, wenn seiner Frau das sehr klar wird.
Klarheit in Bezug auf Wünsche und Prioritäten ist mitunter erstmal schmerzhaft füreinander. Die Herausforderung liegt genau hier. Sich diesem Schmerz sanft, vorsichtig aber mit ruhiger Beharrlichkeit anzunähern. Wie man vielleicht ein Gelenk, dass längere Zeit ruhig gestellt war, wieder an die Bewegungsmöglichkeiten gewöhnt. Behutsam, liebevoll und stetig.
Wenn denn die Anliegen klar und unverstellt, auch in ihrer Intensität, im Raum stehen, dann kann die gemeinsame! Herausforderung sichtbar werden, und mit Blick darauf ein gemeinsamer Wille entwickelt werden.
Vom praktischen Vorgehen her bedeutet das für uns, einen akzeptierenden Raum schaffen und dann beharrlich nachfragen, was möchtest du, wieder und wieder, in den verschiedensten Formen, bist du die Anliegen klar im Raum stehen.
Ich habe das jetzt an mit dem Mann aufgehängt, aber es passt genau so gut auf das andere Paar.
Was möchtest du, was möchtest du unbedingt, was möchte ich, was möchte ich unbedingt, was möchten wir, und was davon unbedingt. Das sind die wichtigsten Klärungen.
Erst dann es ist sinnvoll, wenn überhaupt noch nötig, über Maßnahmen oder Schritte zu sprechen.
Soweit erstmal meine Gedanken und dazu, vielleicht ist etwas Nützliches dabei.

Herzlichen Gruß,
Christoph